Building Times: Eine aktuelle Umfrage unter Baumanagern ergab, dass durch die aktuellen Krisen die Gebäudeautomation und Building Information Modelling an Wichtigkeit einbüßen. Gerät die digitale Transformation jetzt ins Stocken?
Pollhammer: Ich glaube keinesfalls, dass es in diesem Bereich zu einer Verlangsamung kommen wird. Eine der Krisen ist der gravierende Arbeitskräftemangel. Wir gehen davon aus, dass dieser Faktor die digitale Transformation massiv beschleunigen wird.
Mit Siemens Xcelerator wurde soeben eine offene digitale Business-Plattform präsentiert. Welches Ziel verfolgt Ihr Unternehmen mit dem Angebot?
Pollhammer: Siemens Xcelerator stellt für unser Unternehmen eine Umwälzung dar. Wir haben bislang in der Industrie- und Gebäudeautomation meist vor Ort installierte Software zum Einsatz gebracht. Jetzt gehen wir mit Software as a Service einen anderen Weg – eben um der Beschleunigung durch die Digitalisierung und der Vernetzung der verschiedenen Sektoren gerecht zu werden.
Worin sieht man die wesentlichen Vorteile?
Pollhammer: Software as a Service ermöglicht es Unternehmen, rasch auf gepflegte, kuratierte und geschützte Software zuzugreifen, die sie für ihre jeweiligen Herausforderungen benötigen. Bei dem Angebot, das Siemens auf den Marktplatz stellt, haben Kunden auch die Möglichkeit, Software von Partnern zu nutzen. Damit stehen eine reichere Auswahl und ein schnellerer Zugang zur Verfügung.
Der digitale Zwilling gilt als Königsklasse des digitalen Bauens. Wird es künftig auch einfacher, digitale Zwillinge zu kreieren?
Pollhammer: Der digitale Zwilling ist kein Selbstzweck, sondern ermöglicht Vorteile im Bauprozess über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes hinweg. Wir sind überzeugt, dass Gebäudebetreiber künftig Bauten nur mehr dann übernehmen, wenn ein digitaler Zwilling vorhanden ist. Eben weil der Mehrwert klar gegeben ist.
Ziel von Siemens Xcelerator ist es, ein industrielles Metaverse zu schaffen. Was darf man sich darunter vorstellen?
Pollhammer: Das Schlagwort Metaverse beschreibt in unserem Fall ein industrielles Umfeld, das es ermöglicht, dass digitale Zwillinge aus verschiedenen Disziplinen, also von Gebäuden, elektrischen Netzen, öffentlichen Infrastrukturnetzen, zusammenwachsen.
Gibt es dafür schon konkrete Anwendungen?
Pollhammer: Im Bereich der elektrischen Netze, Gebäude und erneuerbaren Energie haben wir im Stadtentwicklungsgebiet aspern Seestadt mit den Partnern Stadt Wien, Wiener Netze und Wien Energie eine Forschungsgesellschaft. Dort setzen wir die neueste Software ein. Beim Technologiezentrum 2 wurde der digitale Zwilling voll implementiert und auch Building X wurde dort schon eingesetzt.
Building X ist die erste konkrete Anwendung von Siemens Xcelerator Was kann dieses Werkzeug und wer braucht es?
Lang: Building X kann man sich als Plattform vorstellen, die einzelne Softwaretools für Sicherheitstechnik, Brandschutz, Lüftung, Heizung und andere Gewerke bündelt. Auf der Plattform werden alle Informationen dieser Systeme integriert, um in der Folge für den Eigentümer oder Nutzer wertvolle Applikationen zu kreieren. Dazu braucht es strukturierte Daten.
Wie viele potenzielle Anwender sehen Sie für Building X in Österreich?
Lang: Im Fokus stehen im ersten Schritt Gebäude mit einer gewissen Komplexität. Entscheidend sind dabei die Größe, die angestrebte Effizienz, der technische Reifegrad und natürlich die Nutzung.
Das heißt, Building X richtet sich an große Unternehmen?
Lang: Die Größe des Systemintegrators spielt eine untergeordnete Rolle. Wir wollen die unterschiedlichen Gewerke, die von unterschiedlichen Unternehmen, dem Elektriker, dem Installateur, verbaut werden, so integrieren, dass man danach im Betrieb und in der Anwendungsentwicklung sehr kreativ sein kann. Damit sprechen wir auch kleinere Unternehmen an, die mit ihrem Know-how und ihrer Taktung sehr schnell auf dieser Datenbasis aufbauen können.
Und worin liegt letztlich der Vorteil von Building X?
Lang: Den größten Nutzen erzielt man natürlich dann, wenn Building X mit Siemens Xcelerator-Elementen anderer Business Units verbunden wird. Wenn zum Beispiel die Fertigungsautomatisierung, die Gebäudetechnik und die Energieversorgung voll integriert sind, können komplexe Herausforderungen, wie ein abrupter Spannungsabfall oder ein Blackout, bestmöglich abgefedert werden.
Pollhammer: Das war auch in Aspern die Vorarbeit. Dort wurden die Protokolle der Gebäudeautomation so konzipiert, dass sie mit der Netzautomatisierung kommunizieren können. Das ist eine Voraussetzung für Lösungen, wo Erneuerbare Energie, E-Ladesysteme und Gebäudetechnik in einem System kommunizieren.
Ist Aspern ein Vorzeigeprojekt in Europa?
Pollhammer: Ja, weil hier eine reale Testumgebung vorhanden ist. Damit wurde eine umfassende Datenbasis geschaffen. Nur mit Daten kann Mehrwert geschaffen werden.
Das heißt, Siemens Xcelerator und Building X sind in Österreich schon angekommen, bevor sie global da waren?
Lang: Wir haben in Aspern sehr früh sehr intensiv geforscht und auch Building X im Livebetrieb erprobt. Viele Dinge, die wir dort entwickelt haben, sind auch dann ins weltweite Portfolio eingeflossen.
Gibt es schon erste Anwender, bei denen das Werkzeug im Einsatz ist?
Lang: Wie gesagt, das Technologiezentrum 2 in Aspern ist ein erster Pilot. Auch die Siemens City wird mit Building X ausgestattet. Und wir sind natürlich schon mit Kunden in Gesprächen.
Steigert man mit Building X auch die Effizienz?
Lang: Der Betrieb eines Gebäudes verursacht über den Lebenszyklus betrachtet rund 80 Prozent der Kosten, die Errichtung maximal 20 Prozent. Mit der Vernetzung verschiedener Gebäude mit unterschiedlicher Nutzung entsteht ein Mehrwert dann, wenn Energie gemeinschaftlich erzeugt, verteilt, gespeichert und genutzt wird. Das kann das sehr große Potenziale freimachen.
Eignet sich Building X auch für bestehende Gebäude?
Lang: Ja, gerade in einem modernen Gebäude mit vielen kommunikativen Geräten ist der Mehrwert sehr groß. Allerdings ist der Hebel im Rahmen einer Migration oder Modernisierung am größten. Wenn wir aber unsere europäischen Klimaschutzziele erreichen wollen, müssen die Sanierungsraten deutlich gesteigert werden. Das betrifft oft die Bauphysik, aber natürlich auch die Regelung.
Um den Klimaschutz und die Effizienz in Gebäuden zu pushen und zugleich die Kosten im Auge zu behalten, braucht es Analyse- und Monitoring-Tools. Bietet Building X hier eine Lösung?
Lang: Natürlich, die vielen Daten machen ja nur dann Sinn, wenn man daraus Handlungsvorschläge ableitet.
Hier finden Sie weitere Informationen zu Building X und dem Siemens Xcelerator.
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