Derzeit werden die ersten Komponenten (siehe Kasten) installiert, die ab Sommer 2020 ein intelligentes System zur Optimierung des Energie- und Wärmebezugsmanagements des Unternehmensareals bilden werden. „Die Bestandteile des Microgrid werden von einem intelligenten Microgrid-Controller angesteuert, der die zentrale Orchestrierung der angebundenen Assets übernimmt und die Elektrizitätsversorgung in Hinblick auf Lastspitzen bzw. Netzauslastung sowie weiterer Einflussparameter in Abhängigkeit von der Eigenerzeugung optimiert“, so Werner Brandauer, Digital Grid, Siemens Smart Infrastructure, der in den USA zu Microgrids geforscht hat und maßgeblich an der Planung des Projekts beteiligt war. Zusätzlich wird das Siemens-Gebäudemanagementsystem Desigo in das Microgrid eingebunden, sodass zum Beispiel bei Lastspitzen die Wärmebereitstellung im Hauptgebäude angepasst werden kann, um den Leistungsbezug des Objekts zu optimieren.
Die gewonnenen Messdaten werden in der Siemens-IoT-Plattform gesammelt und bieten einen wertvollen Pool, um das Verbrauchsmanagement unter Anwendung von Data Analytics-Lösungen zu optimieren. Das Projekt ist in Verbindung mit der Infrastruktur eines bestehenden Industriebetriebs in der Kombination PV, Batteriespeicher, Microgrid-Controller, Laststeuerung und optimierte Ladelösungen für Elektromobilität einzigartig und bietet weitergehende Möglichkeiten für innovative Forschung. „Wir wollen mit dem Projekt an internationalen Forschungsvorhaben teilnehmen und spezifische Bereiche weiterentwickeln“, betont Andreas Lugmaier, Leiter des Forschungsbereichs Smart Embedded Systems von Siemens Corporate Technology Österreich. Doch woher kommt eigentlich die Motivation, eigene Netzbereiche optimiert zu betreiben, und welche Vorteile können daraus entstehen? „Der zukünftig noch weiter steigende Bedarf an elektrischer Energie – hauptsächlich getrieben durch die Sektorkopplung, einerseits mit Elektromobilität, andererseits im Bereich der Wärmeversorgung –, die zunehmende Dezentralisierung der Energieerzeugung sowie das dargebotsabhängige fluktuierende Angebot führen zu immer größer werdenden Herausforderungen bei der sicheren und zuverlässigen Bereitstellung elektrischer Energie“, erläutert Gerd Pollhammer, Leiter Siemens Smart Infrastructure Österreich und CEE.
„Dazu kommt die immer dringender werdende Notwendigkeit für Unternehmen, ihren CO2-Footprint und Energiehaushalt zu optimieren“, fügt Pollhammer hinzu. Microgrid-Lösungen sind eine Antwort auf diese Herausforderungen, indem sie über die Eigenenergieerzeugung (PV) und Optimierung des Energieverbrauchs dazu beitragen, Versorgungsengpässe und Lastspitzen, die das Versorgungsnetz belasten, zu vermeiden. Durch die Dezentralisierung des Energiesystems wird auch das Elektrizitätssystem immer flexibler. Einerseits für den industriellen Bereich und andererseits für Campusse sowie größere Gewerbebetriebe wird es immer interessanter, Flexibilität, die durch intelligente Optimierungslösungen geschaffen wird, zu managen und zu vermarkten. Insbesondere die Thematik der Leistungsspitzenreduktion bzw. die Anpassung des Energiebedarfs an die Kosten am Spotmarkt bzw. die Bereitstellung von Flexibilität am Regelenergiemarkt werden in Zukunft ein Treiber für diese Entwicklung sein. Auch das Siemens-Campus-Microgrid-Projekt hat die Perspektive, Flexibilität über Aggregatoren am Strommarkt anzubieten. Schon früher im Projektverlauf anvisiert wird, zu zeigen, wie mit einem Stromspeicher Lastspitzen beim Bezug elektrischer Energie aus dem Versorgungsnetz innerhalb eines Campusses reduziert werden können. „Dies entlastet das übergeordnete Verteilernetz und minimiert gleichzeitig die leistungsabhängigen Tarife, die für das Stromnetz bezahlt werden müssen. Außerdem soll der Batteriespeicher, der in dieser Form erstmals in Europa zum Einsatz kommt, auch am Regelenergiemarkt teilnehmen, wo Regelreserven gehandelt werden“, erklärt Robert Tesch, der Leiter der Einheit Digital Grid und Distribution Systems für Siemens in Österreich und CEE. Dieser Showcase von Siemens Österreich, der vom Bauherrn Siemens Real Estate ausgeführt wird, zeigt auch, wie ein Microgrid dazu beitragen kann, Elektromobilität in das bestehende lokale Verteilnetz zu integrieren, ohne einen zusätzlichen Netzausbau durchführen zu müssen. Dies wird durch intelligente Komponenten zur Laststeuerung ermöglicht. „Ansonsten würde eine zusätzliche Installation von Elektroladestellen direkt zu steigenden Netztarifen bzw. Leistungstarifen führen, die durch eine intelligente Regelung vermieden werden können“, macht Werner Brandauer deutlich. Dabei wird ein großer Teil der Ladestellen gemessen und gesteuert, sodass daraus einerseits Informationen zum Ladeverhalten der Fahrzeuge und zum anderen zum Nutzerverhalten gesammelt und ausgewertet werden können.
Mit steigender Durchdringung der Elektromobilität werden diese Themen in Zukunft für Industrieunternehmen mit Mitarbeiterparkplätzen, Parkgaragen, Park-and-Ride-Anlagen oder Einkaufszentren und großen Wohnanlagen immer mehr von Interesse sein. Der Einsatz eines E-Speichers in Kombination mit dem Microgrid-Controller zum Management von auftretenden Lastspitzen ermöglicht es, zukunftsweisende Lösungen für das Parkplatz- bzw. Lademanagement von Elektrofahrzeugen unter Berücksichtigung des Verbrauchsverhaltens zu entwickeln. Teil der aus Siemens-Produkten bestehenden Ladeinfrastruktur ist eine Demonstration zur intelligenten Ladung von Fahrzeugen: Dabei kann die Ladeleistung der Fahrzeuge während der Ladung beeinflusst und im Verband mit dem Microgrid-Controller zur Lastspitzenoptimierung des Gesamtnetzes herangezogen werden.
Weiters wird im Rahmen der Elektromobilitäts-Ladeinfrastruktur ein Showcase einer modularen Sammelschienenlösung (TOB-Charge) für Garagen umgesetzt. Die Elektro-Ladeinfrastruktur kann somit mit der Entwicklung der Elektromobilität mitwachsen. Mit dem Campus Microgrid schafft Siemens Österreich – durch die langjährige Expertise und Erfahrung von Siemens Smart Infrastructure in den Bereichen Gebäudemanagement und Stromnetz – ein eindrucksvolles Anschauungsbeispiel, mit dem man Kunden unter anderem das Verhalten und den Nutzen von Microgrid-Lösungen inklusive Elektromobilität im Realbetrieb demonstrieren kann. „Die derzeit im Projekt eingebundenen Photovoltaikanlagen haben eine Spitzenleistung von 312 kWp und reduzieren mit einer eingesparten Menge von rund 100 Tonnen CO2
pro Jahr nennenswert den CO2-Footprint unseres Unternehmens“, verweist Gerd Pollhammer auf einen wichtigen Nachhaltigkeitsaspekt. Neben den bereits erwähnten Besonderheiten des Projekts ist auch die geplante Pilotinstallation für die Kommunikation zwischen den Microgrid-Assets zu nennen. Diese wird über ein Pre5G Campus-Netzwerk erfolgen, das heißt, dass für die Microgrid-Kommunikation ein dedizierter Frequenzbereich zur Verfügung steht. Damit können die Informationen zwischen den Controllern und den Messstellen bzw. Ladepunkten sicher und mit garantierter Datenrate sowie niedriger Verzögerung ausgetauscht werden. „In Zusammenarbeit mit den Partnern Nokia und A1 zeigen wir, wie zukünftig Microgrids die Vorteile der 5G-Technologie nutzen und mit wenig Verkabelungsaufwand und kurzen Übertragungszeiten realisiert werden können“, so Brandauer. Teil des Siemens Campus Microgrid ist auch ein Kreislaufwirtschaftsprojekt unter Einbeziehung von Siemens-Lehrlingen, das in das Gesamtvorhaben integriert ist. In einem Laborversuch soll getestet werden, wie Akkus aus Brandmeldeanlagen, die zyklisch alle zwei Jahre ausgetauscht werden, wiederverwendet und in eine autonome E-Ladestation mit Photovoltaikversorgung integriert werden können.
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Infographik Microgrids
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