Categories: Sommer 2020

Es passiert schon sehr viel

Welche Rolle spielen Kommunen aus Sicht von Siemens beim Vorantreiben einer nachhaltigen Energiezukunft?
Pollhammer: Kommunen sind zentrale Gestalter und Akteure in der Energiewende und der damit verbundenen Kohlendioxidreduzierung. Sie können durch die Steuerung ihrer Betriebsmittel, Anlagen und Einrichtungen wesentlich dazu beitragen, den Energieverbrauch sowie den Kohlendioxidausstoß massiv zu reduzieren.

Außerdem haben sie die Möglichkeit, Energie im großen Ausmaß selbst zu erzeugen. Unter dem Begriff Smart Infrastructure unterstützen wir als Technologieexperten Kommunen, unterschiedliche, meist dezentrale Energiesysteme mit intelligenter Gebäudetechnologie zu verbinden, um Energie effizient zu nutzen und Kosten einzusparen.

Alles beginnt mit der Darstellung des Ist-Zustandes

Josef Stadlinger, Leitung Gebäudetechnik

Wie kann eine Kommune den Wandel hin zu einer nachhaltigen und effizienten Energienutzung vollziehen? Was sind die ersten Schritte?

Stadlinger: Alles beginnt mit der Darstellung des Ist-Zustandes. Dafür braucht es ein detailliertes Monitoring. Es zeigt die Verbrauchsprofile aller Anlagen und Gebäude. Dabei geht es noch lange nicht um neue Investitionen. Ein Verbrauchsprofil kann sehr aufschlussreich sein. Es zeigt, wo es unnötige Verbräuche und demzufolge Möglichkeiten zur Optimierung gibt. Allein durch das Monitoring und darauf basierende Optimierungsmaßnahmen können Kommunen den Gesamtenergieverbrauch um 10 bis 15 % reduzieren.

Pollhammer: Unser Vorteil ist, dass wir auf eine große Datenbasis zurückgreifen können. Siemens monitort über 7.000 öffentliche Gebäude in Österreich mithilfe einer cloudbasierten Plattform für Energie- und Asset-Management namens Navigator. Diese Daten helfen uns, wertvolle Schlüsse zu ziehen.

Das bedeutet, für eine erste Umstellung ist es oftmals nicht einmal notwendig, Geld in die Hand zu nehmen?
Stadlinger: Um in einem ersten Schritt Daten zu generieren, reicht ein kleines Investment. Der technologische Aufwand dafür ist gering, da wir gängige Techniken nutzen. Navigator läuft über eine App und verfügt über ein klar verständliches und einfach bedienbares Cockpit. Damit ermöglichen wir auf sehr einfache Weise, Daten zu erfassen und Verbrauchsprofile zu erstellen. Dank Navigator konnten bereits viele Kommunen durch kleine Umstellungen und ohne eine einzige Investition ihren Energieaufwand um bis zu zehn Prozent senken. Mit einer zusätzlichen Investition in kleine Modernisierungen – diese bewegen sich meist zwischen 10.000 und 20.000 Euro – können rasch Einsparungen im zweistelligen Bereich erzielt werden. In einem weiteren Schritt kann sich eine Kommune dann überlegen, wo es Sinn macht, in erneuerbare Energien zu investieren und – noch weiter gedacht – etwaige Energieüberschüsse für E-Mobilität zu nutzen. Wichtig ist die Botschaft, dass sich Lösungen und Systeme in den unterschiedlichsten Ausbau- und Investitionsstufen umsetzen lassen.

Gerd Pollhammer, Head of Siemens Smart Infrastructure CEE im Gespräch über die Energieeffizienz der Kommunen

In Österreichs Gemeinden ist Energieeffizienz ja schon seit Jahren ein wichtiges Thema. Wie betrachten Sie die Situation?
Pollhammer: Kommunen sind sehr aufgeschlossen und aktiv und möchten wesentlich zur Energiewende beitragen. Ein gutes Beispiel dafür ist unser Projekt Campus+ für die Stadt Wien. Natürlich gibt es in der Nutzung neuer Technologien noch Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Kommunen.

Wichtig ist, dass wir mit unseren Lösungen alle bedienen können, denn nicht jede Kommune hat die finanziellen oder personellen Möglichkeiten, effizientes Energiemanagement zu betreiben. Zusätzlich zum webbasierten Energiemonitoring und -controlling, das von Kommunen alleinverantwortlich durchgeführt werden kann, bieten wir daher auch die Möglichkeit eines Energy Performance Contractings an.

Dabei übernehmen wir die Verantwortung für das Energiemanagement und die Umrüstung von Anlagen im Rahmen von 10-Jahres-Verträgen. Wir garantieren der Kommune eine Energieeinsparung zwischen 20 und 25 %. Die Investitionen für Umrüstungen werden aus den Einsparungen gedeckt.

Auf lange Sicht gesehen ist es ein Gewinn für die Gemeinde.

Josef Stadlinger, Leitung Gebäudetechnik

Das Energy Performance Contracting ist quasi ein Nullsummenspiel für Kommunen…

Stadlinger: Auf lange Sicht gesehen ist es ein Gewinn für die Gemeinde. Die Einsparung ist immer höher als die Investition. Das konnten wir in der Gemeinde Wildschönau bereits unter Beweis stellen. Nachdem die Investition abgedeckt ist, profitiert die Kommune nicht nur von einer Energieeinsparung, sondern besitzt zusätzlich ein modernisiertes System. Der positive Effekt ist jedenfalls nachhaltig, denn die Energiepreise werden nicht ewig auf dem derzeit niedrigen Niveau bleiben. Außerdem trägt man damit wesentlich zur Dekarbonisierung bei und kann auch zukünftige Maßnahmen besser darstellen.

Das heißt, Gemeinden könnten ihr Energiemanagement auch komplett outsourcen?
Stadlinger: Ja, wir stellen dafür die gesamte Technologie und Dienstleistungspalette zur Verfügung. Viele Kommunen sind aber bereits selbst sehr aktiv. Und es gibt in vielen Bereichen, etwa bei der Straßenbeleuchtung, lokale Anbieter, die Kommunen in Sachen Energieeffizienz punktuell unterstützen. Da passiert schon sehr viel.
Pollhammer: Ist oder wird die Energieversorgung sehr heterogen, stoßen Gemeinden oft an ihre Grenzen, wenn es um eine energieeffiziente Nutzung beziehungsweise das Zusammenspiel der verschiedenen Anlagetypen geht. Unterschiedliche Anlagen in ein zentrales, netzgebundenes oder netzunabhängiges System – Stichwort Microgrid – zusammenzuführen ist eine sehr komplexe Aufgabe und erfordert entsprechende digitale Lösungen. Dazu kommt dann noch das Thema der Energiepufferung. Derartige Aufgabenstellungen kann eine Gemeinde ohne Technologiepartner nicht bewerkstelligen. Doch gerade in sogenannten Microgrids steckt viel Potential und Kommunen sind dafür prädestiniert. In der Gemeinde Oberwart durften wir ein derartiges Projekt bereits erfolgreich umsetzen.

Stadlinger: Geht man noch einen Schritt weiter, dann bestünde auch die Möglichkeit beispielsweise mit einzelnen energieeffizienten Gebäuden künftig am Regelenergiemarkt teilzunehmen. Die Basis dafür schaffen wir schon heute, indem wir bei der Errichtung von Gebäuden für den Energieverbrauch relevante Daten sowie Planungs- und Errichtungsdaten in einem sogenannten digitalen Zwilling des Gebäudes erfassen. Das geschieht mit der Building-Information-Modeling-Methode, kurz BIM. Mit Hilfe der Daten lassen sich unterschiedliche Szenarien durchspielen. Wenn die Informationen vorliegen, wie sich ein Gebäude bei verschiedensten Wetterlagen in Kombination mit unterschiedlichen Verbrauchsprofilen verhält, kann der Energieverbrauch optimiert und die Versorgung durch die unterschiedlichen dezentralen Anlagen effizient gesteuert werden. Energieüberschüsse könnten in Zukunft dann ins öffentliche Stromnetz eingespeist werden. BIM ist übrigens auch die Grundvoraussetzung für unser Lebenszyklusmodell für Gebäude.

Können Sie dieses Modell näher erklären? Es handelt sich dabei ja um ein spezifisches Angebot für Kommunen….
Stadlinger: Es ist ein ganzheitliches Modell für Infrastrukturprojekte wie Schulen, Pflegeheime und so weiter, das die Finanzierung, Planung, Errichtung und den Betrieb über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes umfasst.

Josef Stadlinger, bis Juli Leitung Gebäudetechnik, erklärt das Lebenszyklusmodell für Gebäude.

Es lässt sich problemlos an die spezifischen Ziele und Anforderungen einer Kommune anpassen. Im Rahmen dieses partnerschaftlichen Modells kooperieren wir mit Finanzierungs- und Bauunternehmen und allen anderen Professionisten. Als Projektleiter steuern wir den gesamten Prozess und tragen das gesamte Risiko. Die Kommune steuert den Bauplatz bei und definiert die Architektur und Ausstattung. Den Rest übernehmen wir. Nach Fertigstellung zahlt die Kommune im laufenden Betrieb eine monatliche, fixe Nutzungsgebühr, die sich aus den anteiligen Errichtungskosten sowie den Betriebskosten zusammensetzt. Die Kommune trägt also weder ein Risiko, noch muss sie die Investition stemmen. Ganz im Gegenteil: Sie erhält ein Gebäude am neuesten Stand der Technik, das von Siemens betrieben, verwaltet und gewartet wird, und profitiert obendrein von niedrigen Betriebskosten. Die Zeitrahmen der Projekte bewegen sich meist zwischen 20 und 25 Jahren. Am Ende der Vertragslaufzeit hat der Auftraggeber ein erstklassig instandgehaltenes, hochmodernes Gebäude im Eigentum.

Wenn man das Thema Energieeffizienz in Kommunen ganzheitlich betrachtet, dann spielt auch E-Mobilität eine wichtige Rolle. Welches Angebot gibt es hier seitens Siemens?
Pollhammer: Wir können Gemeinden bei der Dekarbonisierung mit Gesamtlösungen oder Einzelkomponenten unterstützen. Möchte eine Kommune ihre eigens hergestellte Energie vertanken – sei es für den Fuhrpark der Gemeinde oder den öffentlichen Verkehr – dann bieten wir von einfachen Wallboxen bis hin zu LKW- und Bus-Chargern eine breite Palette an Ladesystemen an. Was öffentliche Ladestationen betrifft, so haben wir in Deutschland und Großbritannien ein neues, für Kommunen interessantes System im Betrieb – Straßenlaternen als Ladepunkte für Elektroautos. Ebenso können wir mit unseren Lösungen elektrische Energie puffern und für unterschiedliche Ladezyklen zur Verfügung stellen. Pufferlösungen sind sehr wichtig, um Spitzen im Energieverbrauch zu nivellieren und Bezugsleistungen sicherzustellen – insbesondere, wenn man den Energieverbrauch einer Kommune als Gesamtsystem betrachtet.

Das Interview erschien zunächst in “Kommunen der Zukunft”, 202. Die Fragen stellte Anita Orthner

https://hitech.at/infrastruktur/energiehochburgenlandWeitere Informationen:
hi!tech: Energiehochburgenland

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