Innovationslabore sind Förderinstrumente des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) im Rahmen der Programmschiene Stadt der Zukunft. Mit den Innovationslaboren unterstützt das BMVIT die systematische und langfristige Entwicklung von innovationsfördernden Gestaltungsräumen für neue Ideen und Konzepte, um die Praxiswirksamkeit von Forschung zu erhöhen. Eines der bisher zwei vergebenen Innovationslabore befindet sich im südlichen Burgenland.
Es nennt sich act4energy, bezweckt die Schaffung eines digitalen erneuerbaren regionalen Energiesystems und wurde von Andreas Schneemann initiiert – Unternehmer und Energietechniker aus Stegersbach, der sich seit 15 Jahren mit erneuerbaren Energiesystemen auseinandersetzt.
Das Thema des Innovationslabors act4energy ist die Optimierung des Eigenverbrauchs von erzeugtem PV-Strom auf dem aggregierten Nutzerniveau von Mehrfamilienwohnhäusern oder auf Gemeindeebene. Die dazugehörige Innovationslabor-Region, die Andreas Schneemann 2018 geschmiedet hat, umfasst zehn Gemeinden im südlichen Burgenland rund um Oberwart und Stegersbach mit insgesamt rund 20.000 Einwohnern. „Wir wollen hier ein regionales Energiesystem entwickeln und umsetzen, in dem die Energie, die wir vor Ort produzieren, über intelligente Systeme – Steuerungen, Speicher etc. – so verteilt wird, dass weniger Energie aus den übergeordneten Netzen bezogen werden muss“, so Schneemann. Der Zuschlag für das Innovationslabor durch eine internationale Jury – die Initiative von Andreas Schneemann konnte sich gegen mehrere Mitbewerber durchsetzen – erfolgte wohl auch, weil sich das Vorhaben bereits auf eine Reihe von Projekten in diesem Bereich – ebenfalls initiiert durch Schneemann und sein Team – mit zahlreichen Partnern, auch aus anderen Bundesländern, stützen konnte.
Dazu zählt auch das Smart-City-Projekt „Loadshift Oberwart“. Dabei geht es darum, Flexibilitäten auszuloten, die Energiehändlern und Netzbetreibern zur Verfügung gestellt werden können, um beispielsweise trotz volatiler Einspeisung von erneuerbaren Ressourcen energietechnisch ausgeglichen zu bilanzieren. „In diesem Projekt kommt unsere Software – DEMS (Dezentrales Energiemanagement-System) – zur Vernetzung der dezentralen Anlagen zum Einsatz. Die große Herausforderung dabei war, unterschiedlichste Anlagentypen, wie sie typisch auf kommunaler Ebene vorhanden sind, wie ein Rathaus, ein Biomassekraftwerk oder ein Wasserwerk, an ein virtuelles Kraftwerk anzubinden, um die verfügbaren Flexibilitäten möglichst effizient einem ,Flexibilitätsnutzer‘ über ein Webportal anbieten zu können“, erklärt Wolfgang Rittsteiger, der seitens Siemens die Projekte im Südburgenland koordiniert.
Das angesprochene Rathaus ist jenes von Oberwart. Erst kürzlich hat Siemens dort eine Brandmelde- und eine Sicherheitszentrale installiert. Aber nicht nur Sicherheit macht ein Gebäude zu einem Ort zum Wohlfühlen, sondern auch der Komfort für die Gebäudenutzer. Denn intelligent ist ein Gebäude dann, wenn es sich dem Nutzer anpasst und nicht umgekehrt: Im Rathaus Oberwart wurden mittels Desigo Total Room Automation (TRA) Beschattung, Beleuchtung und HLK (Heizung/Lüftung/Klima) in einer einheitlichen Regel- und Steuerungsstrategie vereint. Damit sich die Gebäudenutzer im Rathaus Oberwart rundum wohlfühlen, sind in allen Räumen DALI(Digital Addressable Lighting Interface)-Leuchten installiert – insgesamt 90 Lichtkreise –, die je nach Helligkeit automatisch die Lichtstärke regulieren beziehungsweise sich automatisch ein- oder ausschalten. In jedem Raum sind Helligkeits- und Bewegungsmelder installiert – insgesamt im Gebäude rund 100 Stück –, damit niemand im Dunkeln sitzt. Natürlich kann das Licht auch händisch ein- oder ausgeschaltet werden, aber nicht nur das: Mit den installierten Touch-Bediengeräten können in den unterschiedlichen Räumen verschiedene Szenarien ausgewählt werden, zum Beispiel, dass in dem Raum ein Workshop stattfindet oder ein Vortrag unter Verwendung eines Beamers.
Mindestens so wichtig wie die Beleuchtung ist die Temperatur für das Wohlergehen. Dabei sind Wärme und Kälte zwei sehr individuelle Bedürfnisse – daher können die verschiedenen Räume ganz nach Wunsch
beheizt oder gekühlt werden. Die Jalousien des Rathauses schließen automatisch, wenn es durch Wetter oder die Sonneneinstrahlung notwendig ist. Werden die Räume nicht genutzt, setzen diese sich selbstständig in betriebsoptimalen Zustand, der bei Siemens-Geräten mit dem sogenannten Green Leaf dargestellt wird. Ja, der Name ist Programm: Das Symbol ist ein grünes Blatt, das sich rot färbt, sobald der Energieverbrauch zu hoch ist. Mit einem einfachen Knopfdruck kehrt die Raumregelung in einen optimalen Betrieb zurück – und Energie- sowie Betriebskosten werden gespart. Die primäre Energieerzeugung im Rathaus Oberwart stellt ein Gaskessel in Verbund mit zwei Wärmepumpen sicher. Die reibungslose Kommunikation zwischen Gaskessel, Wärmepumpe und Steuerung Desigo wird mittels Mod-Bus-Schnittstelle garantiert.
Ein weiteres Smart-City-Projekt auf Betreiben von Andreas Schneemann, das ebenfalls eine wichtige Basis für das Stadt-der-Zukunft-Innovationslabor act4energy darstellt, nennt sich „Speichercluster Südburgenland“ – ebenso wie Loadshift Oberwart durch den Klima- und Energiefonds gefördert. Dieses Projekt ist eine logische Fortsetzung der Flexibilisierungs-Aktivitäten in Oberwart, das auf kleinere Einheiten auf Haushaltsebene abzielt, die aber gebündelt ein nennenswertes Asset für ein virtuelles Kraftwerk darstellen können. Dafür werden Privathaushalte, Gebäude von Gemeinden und Unternehmen mit Speichern ausgestattet. Mithilfe eines Datengateways von Siemens soll die Gesamtheit an verschiedenen Flexibilitätspotenzialen im Haushalt optimiert bzw. mit dem virtuellen Kraftwerk vernetzt werden. Zur Aggregation der Daten wurde die Siemens-IoT-Plattform MindSphere benutzt. In diesem Cluster-Projekt kommen verschiedene Speicher zur Anwendung: elektrische, thermische und mobile, sprich Elektrofahrzeuge. „Für mich sind Strom, Wärme und Mobilität eine Einheit. Das große Ziel ist, eine Datenebene über alle Systeme hinweg zu schaffen“, betont Schneemann, der damit auch zum Ausdruck bringt, dass die Elektromobilität einen großen Raum in seinen Überlegungen einnimmt.
Die Vernetzung der Daten erfolgt hier durch die Siemens-Software „E-Car Operation Center“, die das Management von Ladestationen und eine intelligente Steuerung von Ladevorgängen ermöglicht. Sukzessive soll die Ladeinfrastruktur in der Region ausgebaut werden – einige Ladepunkte (Säulen, Wallboxen) und Solarcarports sind bereits vorhanden und ebenfalls Teil der Demonstrationsprojekte.
Stichwort Demonstration: Schneemann konzipiert seine Projekte offen – technologisch offen, vernetzungsfähig und nicht autark, offen für alle, die sich für die gute Sache einer nachhaltigen Energieversorgung engagieren und „etwas auf den Boden bringen wollen“, so der Ingenieur, der „unproduktive Zettelwirtschaft“ im Gegensatz dazu gar nicht gern hat. Mit „alle“ sind Unternehmen genauso gemeint wie die Bevölkerung, die Schneemann mit seinen Projekten mitnehmen und einbeziehen will, so wie es auch die Idee der Innovationslabore durch eine offene Innovation – open innovation – seitens des Ministeriums vorsieht. Offenheit lebt Andreas Schneemann mit seinen Projekten auch in dem Sinne, dass er sie quasi ins Schaufenster stellt und anderen die Möglichkeit bietet, von seinen Projekterfahrungen zu lernen oder die Projekte woanders selbst zu implementieren. So ist es dem umtriebigen Energiepionier auch gelungen, die erste „Mission Innovation Austria Week“ – veranstaltet von BMVIT sowie Klima- und Energiefonds – in seine Heimatregion zu holen. Ein deutliches Zeichen der Sichtbarkeit bringt das heurige Jahr noch mit dem Spatenstich für ein Kompetenzzentrum für regionale, erneuerbare Energiesysteme in Stegersbach – ein architektonisch ansprechendes Gebäude, das als Zentrum für Dialog und Demonstration dienen soll, also ein weiteres Schaufenster, mit dem Andreas Schneemann allen Interessierten von nah und fern seine Vision vom digitalen erneuerbaren regionalen Energiesystem näherbringen will.
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