Categories: Juni 2019

Wo kommt Nutzen raus?

Und wo liegt der Nutzen?

Josef Stadlinger: Bei der Digitalisierung geht es im Kern darum, wer den Nutzen hat. Die Frage ist: Kommt die Digitalisierung beim Betreiber auch an? Ein kleines Rechenbeispiel: 30-300-3.000. Sie haben in einem Gebäude rund 30 Euro Kosten für Energie pro Mitarbeiter und Monat. Die durchschnittlichen Kosten inklusive sämtlicher Assets (Fläche, Möbel usw.) liegen bei rund 300 Euro pro Mitarbeiter und Monat. Können hier zehn Prozent eingespart werden, haben Sie die kompletten Energiekosten „eingespart“. Nehmen wir an, die Gesamtkosten pro Person betragen in einem Gebäude 3.000 Euro. Wenn Sie hier die Produktivität um zehn Prozent steigern, haben Sie einen ganz anderen Hebel, als wenn Sie versuchen 15 Prozent Energie einzusparen. Das Thema der klassischen Technologieanwendung liegt zwischen 15 Prozent und 30 Prozent.

Wie kann ein Gebäude zur Produktivitätssteigerung beitragen?

Es gibt Beispiele aus der Praxis, wo sich nach Setzen einiger Maßnahmen die Krankenstände um 65 Prozent verringert haben. Da geht es manchmal um ganz einfache Positionen und Meinungen und Fragen. Das Licht passt nicht, die Luftqualität ist schlecht – das führt rasch zu einem Arbeitsumfeld, in dem sich der Mitarbeiter nicht wohl fühlt.

Die Folgen: Höhere Krankenstandstage und niedrigere Produktivität. Stimmt das Umfeld, steigt das Wohlfühlempfinden am eigenen Arbeitsplatz und – hier kann die Digitalisierung unterstützend eingreifen – steigt die Produktivität. Die zweite Herausforderung ist die Thematik, ob man die richtigen Daten zur Verfügung hat, um die richtigen Schlüsse ziehen zu können. Wie werden die Daten analysiert? Das dritte ist das Thema Sicherheit als solches. Damit meine ich nicht die physikalische Sicherheit, richtige Zutrittskontrollen oder Videoanlagen, sondern die Sicherheit der eingesetzten Systeme. Erst vor kurzem sorgte ein Vorfall für helle Aufregung. Gott sei Dank nicht bei uns. Viele Baufirmen sagen, es kommt keine Technik mehr rein, die nicht IoT-fähig ist. Jedes Ding muss in die Wolke. Im konkreten Fall wurde ein ganzes Netzwerk eines Gebäudes gehackt. Die Täter sind durch ein IoT-fähiges Thermostat eingedrungen. Wir sprechen nicht nur von der Sicherheit der Systeme, sondern auch von der Sicherheit einzelner Komponenten, durch die Vernetzung und Datenanalysen. Dort liegt einer der Schlüsselpunkte.

Bleiben wir bei der Sicherheit. Mit welchen Maßnahmen kann man Cyber-Angriffe verhindern?

Die Maßnahmen sind schlicht und einfach die, dass man sich der Gefahr bewusst sein muss und Geld in die Hand nimmt. Hier ist die Managementebene gefragt: Wir befassen uns damit und investieren entsprechend. Die technischen Maßnahmen sind klar. Man muss entsprechende Maßnahmen gegen sogenannte „Black Hats“ treffen. Im Fachjargon heißen die bösen Hacker „Black Hats“ und die, die Gegenmaßnahmen treffen, „White Hats“. Wir beschäftigen im Konzern über 1.100 Personen, Spezialisten, die sich auf unterschiedlichen Ebenen nur mit dem Thema Cyber Security beschäftigen. Über 150 davon sind White Hats. Die tun nichts anderes, als darüber nachzudenken, wie man wo eindringen könnte. Das machen wir für unsere eigenen Systeme, die wir selbst im Einsatz haben, aber auch für die Produkte und Systeme unserer Kunden. Diese 150 Personen sind über den Globus verteilt, vernetzt und forschen sowohl an der IT-Sicherheit als auch an der Hardware-Sicherheit von Produkten und Systemen. Wir verwenden auch standardmäßig eingesetzte Servertechnologien, die es am Markt zu kaufen gibt, um genau zu sehen, wo die Schwachstellen sein könnten, und um etwas dagegen zu tun.

Wie schlägt sich das in den Betreiberkosten oder im Gebäudemanagement nieder? Das klingt teuer.

Wenn Sie heute ein Billigst-IoT-Gerät kaufen, wissen Sie nicht, welchen Sicherheitskriterien dieses entspricht. Sie müssen die Lösungs- und Lifecycle-Kosten betrachten. Eine Minute Ausfall in einem Rechenzentrum kostet wahnsinnig viel Geld. Vier Tage Ausfall bedeuten das finanzielle K.o. eines Rechenzentrums. Wenn Sie diese Kosten betrachten, die Sie der Risikominimierung entgegensetzen müssen, dann liegen Sie, im Lifecycle betrachtet, auf einem sehr positiven Niveau.

Oft aber werden die Sicherheitsvorkehrungen gerade von den eigenen Mitarbeitern vernachlässigt und umgangen.

Das eine ist, dass unsere Systeme, die wir ins Feld bringen, von Haus aus dem Stand der Sicherheitstechnik entsprechen. Das andere ist, dass wir laufend darauf hinweisen und unsere Mitarbeiter auch laufend ausbilden, aber auch unsere Kunden gezielt schulen, wie damit umzugehen ist. Dass bei Servicetechnikern nur ein Passwort verwendet wird, war vielleicht in manchen Bereichen Usus. Wir haben eigene, mit Zweifach-Zugängen verschlüsselte Datenbanken. Alle Servicetechniker sind angehalten, ständig ihre Passwörter zu erneuern und darauf zu achten, dass es immer unterschiedliche Passwörter sind und diese in der doppelt gesicherten Datenbank abgelegt werden.

Wenn man in einem Gebäude Komfort schaffen will, werden viele Daten erhoben. Wie sieht es mit der Datensicherheit dieser Daten aus? Das ist in der Branche auch ein viel besprochenes Thema.

Das könnten Unmengen von Daten sein, wenn man unüberlegt und ohne ein entsprechendes Design mit diesen Daten umgeht. Die Thematik Big Data bedeutet, dass Sie einen Datenozean haben. Jetzt stellen Sie sich vor, Sie haben einen Datenozean und Sie suchen genau in diesem Datenozean „Findet Nemo“. Im Ozean finden Sie den kleinen bunten Fisch wahrscheinlich nicht. Es braucht ein entsprechendes Domain Know-how, nicht nur ein Daten-Know-how. Riesige Serverbänke aufbauen und einfach unstrukturiert Daten sammeln kann jeder. Es geht um Domain-Know-how. Das heißt zu wissen, was spielt sich in einem Gebäude ab. Was ist relevant für den Betrieb eines Gebäudes? Vielleicht geht es darum, zu wissen, wann ein Besprechungsraum belegt ist und für wie viele er gebucht ist, in welchen Abständen messe ich die Luftqualität und welche Feedback-Faktoren habe ich dafür. Da könnte man zum Beispiel über eine App ein Feedback geben. Wir brauchen Daten- und Domain-Know-how. Auf der anderen Seite gibt es viele, die sagen, eigentlich weiß ich, wie ich Daten sammle und analysiere, aber ich weiß nicht, wie ich das für diese spezielle Domain strukturieren soll. Diese beiden Welten muss man zusammenbringen. Ich nenne das den cohesive approach. Das heißt, wir müssen diese beiden Welten nicht nur vernetzen, sondern wir müssen diese beiden Welten nebeneinandersetzen. Wir müssen Tandem-Teams bilden. Bringe einen Domain Know-how-Träger mit einem Datenanalytiker zusammen und lass die miteinander arbeiten.

Wie sieht das in der Praxis aus?

Wir haben speziell junge Leute ins Unternehmen geholt, die kein Domain-Know-how haben. Diese haben wir mit Anwendungs- und Engineering-Experten zusammengesteckt. Das ist ein ständiger Prozess, der sich täglich verbessert. Vor knapp 1,5 Jahren haben wir in Österreich mit diesem Prozess begonnen und wir haben heute schon allein aus diesem Prozess über 20 use cases herausgearbeitet, die zur wesentlichen Verbesserung vom Betrieb von Gebäuden dienen.

Wir sind in der Lage Probleme erkennen zu können, bevor diese Probleme zu Schäden führen.

Josef Stadlinger

Wie sieht, Ihrer Meinung nach, das Gebäude der Zukunft aus?

Es braucht bereits in der Planungsphase einen wesentlich höheren integrierten Ansatz. Ich meine damit nicht nur technologische Integrierung, sondern eine gesamtheitliche Betrachtung der Anwendung und des Nutzens. Das Schlagwort wäre hier Building Information Modelling – BIM. Da wird von D-Modellen, von 3D, von 4D und Lebenszykluskosten gesprochen. Das Vorverlagern der Entscheidungen ist das wesentliche Thema. Wenn Sie den heutigen Status von BIM betrachten, dann ist es im Prinzip nichts anderes als Merkmale von Produkten in eine 3D-Architekturplanung hineinzusetzen. Das ist aber keine Lebenszyklus Betrachtung. Da ist kein Use Case drinnen. Wir kommen von der anderen Seite des Lebenszyklus. Wir haben die Daten von über 7.000 Gebäuden, 470 Gebäude davon betreiben wir direkt. Wir sind in der
Lage, Probleme erkennen zu können, bevor diese Probleme zu Schäden führen. Mit diesem Präventivansatz lassen sich bis zu 60 Prozent der Einsatzkosten bei einem Störfall einsparen. Natürlich können Sie den Altbestand nicht ohne Weiteres auf dieses Level bringen. Bei einem Greenfield Project sollte man genau auf diese Dinge achten.

Aber fressen einen die Kosten im Altbestand nicht auf? Rechnet sich das auch im Altbestand?

Durchaus, denn Modernisierung heißt ja nicht nur die reine technische Ausstattung des Gebäudes, sondern betrifft auch andere Bereiche wie Inneneinrichtung usw. Aber selbst, wenn Sie nur in den Technikbereich gehen, rechnet sich das durchaus, weil Sie die Möglichkeiten der kabellosen Vernetzung über WLAN-Vernetzungen, IoT – wobei ich da bei Gebäudetechnik sehr vorsichtig wäre – nutzen können.

Wenn der Brandmelder mit der Zentrale kommuniziert – ist das dann schon IoT?

Nein. IoT – Internet of Things – bedeutet, dass das Device, das einzelne Produkt, sei es der Brandmelder, sei es ein Zutrittsleser, sei es ein Thermostat, mit der Wolke verbunden ist. Das macht aber nicht immer Sinn und vom Sicherheitsaspekt her ist es nicht in jedem Fall empfehlenswert. Aber: Es gibt Anwendungsfälle, wo das sehr wohl Sinn macht. Wir sprechen hier vom sogenannten Edge Computing. Das heißt, ich vernetze zwar diese ganzen Geber, die Sensoren, die Feldebene auf lokaler Basis. Das kann ich über das WLAN im Gebäude machen, kabellos. Dann nehme ich nur die Daten, die relevant sind, auf die nächsthöhere Ebene, wo ich sie dann entsprechend analysieren und auswerten kann, um ein entsprechendes Feedback zu geben. Das ist der wesentliche Aspekt in der Gebäudetechnik, der den größten Hebel bringt und auch in Zukunft bringen wird. Wenn Sie heute bei einer Lüftungsanlage, wie hier in der Siemens City, merken, dass die Luftqualität sinkt und der Filter getauscht werden muss, der aber zehn Tage Lieferzeit hat, haben Sie ein Problem. Jetzt stellen Sie sich vor, Sie bekommen aus drei verschiedenen Datenpunkten, nämlich von der Stromaufnahme des Ventilators, vom Druck vor dem Lüfter und vom Druck nach dem Lüfter Kenndaten und werten diese richtig aus, dann können Sie erkennen, ob der Filter wirklich schon ausgetauscht werden muss oder der Lüfter selbst ein Problem hat.

Wie sieht das Berufsbild des Technikers von morgen im Facility-Bereich aus?

Wir werden von den Spezialisten, die ein Problem suchen und lösen können, nicht wegkommen. Predictive maintenance wird ein zentrales Thema. Dafür braucht es aber gut ausgebildete Spezialisten. Wir können 18 Prozent der auftretenden Probleme erkennen und beheben, bevor der Kunde merkt, dass es ein Problem gibt. Durch die Digitalisierung und Vernetzung können wir auch Anlagen zentral steuern. Das heißt, wir können wesentlich schneller, kostengünstiger und einfacher reagieren und damit den Nutzen für unsere Kunden durch eine höhere Verfügbarkeit der Anlagen erhöhen. Denken Sie in diesem Zusammenhang zum Beispiel an das Thema Sicherheit. Sicherheitssysteme müssen einfach funktionieren. Die Verfügbarkeit ist das Um und Auf.

Was wird kundenseitig aktuell am stärksten nachgefragt, Sektor Energie oder Sektor Sicherheit?

Energie wird wieder mehr ein Thema werden. Es war in den letzten Jahren vielleicht nicht so sehr im Fokus, weil die Energiepreise auf einem niedrigen Niveau waren. Derzeit sind die Energiepreise wieder anders. Der Trend wird anhalten, die Energiepreise werden so schnell nicht wieder fallen. Keine Frage: Das Thema Sicherheit ist und bleibt präsent. Die Thematik „Zutritt“ wird an Bedeutung zunehmen, weil ich damit in einem Gebäude unterschiedliche Level schaffen kann, aber die offene Infrastruktur trotzdem beibehalten kann. Eine der noch nicht so bekannten Stärken moderner Zutrittssysteme ist, dass man viel mehr machen kann als nur den Zutritt zu kontrollieren. Sie können auch Zeiterfassung und Zeitverarbeitung einfach und zuverlässig erledigen.

Weitere Informationen:
Link zum gesamten Interview (BauTecFokus Frühjahrsausgabe 2019 – Seite 68 bis 73)

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